Es gibt keine Prägung?

#1 von Firle , 04.06.2013 12:11

Prägung

Was ist mit den ganzen vielen Aussenreizen, die ein Welpe noch beim Züchter bzw so früh wie möglich kennenlernen sollte?

Ich hatte / habe zwei Hunde, die im Welpenalter ordentlich viel kennengelernt haben. Der eine bei einem tollen Züchter, der andere als Straßenhund.
Beide haben/hatten eine hohe Stresstoleranz, waren/sind ausgeglichen, unbeschwert, neugierig, gehen/gingen auf alles zu ...
Sie hatten/haben eine viel höhere Lebensqualität weil ihnen vieles einfach leichter fiel und sie nicht so angstbehaftet waren/sind.

Der andere hat seine ersten 8 Wochen in einem Zwinger in einer Tötungsstation zugebracht. Der Kerl war ne Katastrophe ...

Mir ist bewußt, daß drei Hunde nicht repräsentativ sind. Trotzdem habe ich diese Unterschiede immer auf die (nicht) erfolgte Prägung im Welpenalter zurückgeführt.

Worauf ist denn eine (so deutlich!) höhere Stresstoleranz bzw. eine souveräne Persönlichkeit dann zurückzuführen, wenn nicht aufgrund der Prägung?

EDIT:

Der Vollständigkeitshalber: Wiki def. Prägung so:

Zitat

Prägung nennt man in der Verhaltensbiologie eine irreversible Form des Lernens: Während eines meist relativ kurzen, genetisch festgelegten Zeitabschnitts (sensible Phase) werden Reize der Umwelt derart dauerhaft ins Verhaltensrepertoir aufgenommen, dass sie später wie angeboren erscheinen.
(...)
- Lernen durch Prägung findet statt, ohne dass Belohnung oder Bestrafung eine Rolle spielen. Lernen durch Prägung unterscheidet sich daher fundamental von einer Lernform wie dem Lernen durch Erfahrung wie z.B. durch Versuch und Irrtum.
- Prägung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur in einer bestimmten Zeitspanne stattfinden kann, die daher als sensible Lebensphase bezeichnet wird. Prägung ist also nicht nachholbar. In welchem Alter diese Phase nachweisbar ist und wie lange sie dauert, kann je nach Tierart sehr unterschiedlich sein.
- Prägung ist unwiderruflich, das durch sie Gelernte wird besonders schnell und effektiv gelernt und auf Lebenszeit behalten; zumindest werden die durch Prägung erworbenen Auslöser („Schlüsselreize“) auf Dauer bevorzugt.
- Durch Prägung werden stets nur eng begrenzte Inhalte gelernt, also zum Beispiel eine bestimmte Reaktion auf ein bestimmtes Objekt der Umwelt oder eine bestimmte, klar gegen andere Verhaltensweisen abgrenzbare Verhaltensweise.
- Prägung kann in einer Zeitspanne stattfinden, in der die geprägte Verhaltensweise noch nicht vollzogen werden kann.



Lorenz' geprägte Gänse kennen wir alle. Der Autor des Artikels eingangs sagt, daß Prägung bei Gänsen funktioniert, bei Hunden jedoch nicht. Wieso sollte das nicht gehen?
Ich verstehe den Wiki-Artikel jetzt nicht so, daß das nur für Vögel gilt, oder?

Ich geh mal gucken, was Manfred Spitzer dazu sagt


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RE: Es gibt keine Prägung?

#2 von Firle , 04.06.2013 14:19

So, der gute Mann von da oben versteht unter Prägung wohl nur die Fixierung auf EINE Person. Klar, DAS gibt es bei Hunden nicht in der Form wie bei den (Lorenz) Gänsen.

Trotzdem gibt es Prägung. Denn Prägung ist sehr viel mehr als nur das. So, wieder was gelernt

Danke, Meister Spitzer

Manfred Spitzer - Sexuelle Prägung


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RE: Es gibt keine Prägung?

#3 von Margie , 04.06.2013 14:32

Total interessant.
Mein erster Gedanke ist: es gibt Hunde von Vermehrern, die total anhänglich sind. Und es gibt welche, die total scheu sind. Ich meine ganze Würfe, die im TH landen. Da ist vielleicht dann wirklich genau der Zeitpunkt entscheidend, an dem sie in Obhut kamen.


das von Margit mit den Tupfentieren

 
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RE: Es gibt keine Prägung?

#4 von Firle , 04.06.2013 14:44

Ich verstehe unter Prägung - ganz absichtlich - nicht nur die Prägung auf eine Person.

Sondern auch die Prägung auf Umweltreize. Je mehr Umweltreize, je mehr Erfahrung, desto sicherer kann der Hund mit neuen Situationen in seinem späteren Leben umgehen. Einfach, weil er für dieses Programm als Welpi Synapsen angelegt hat.

Spitzer erklärt das Synapsen-Anlegen immer folgendermaßen:

Man stelle sich einen Glühweinstand im Schnee vor. 150 m weiter steht ein Dixie-Klo. Der erste der geht, legt eine Art Trampelpfad an, den die meisten auch benutzen werden (weil bequemer als durch den Neuschnee zu laufen). Je mehr Leute im Laufe des Abends pieseln müssen, umso breiter wird dieser Pfad.
Übertragen aufs Hirn ist das EINE Synapse. Eine Synapse ist keine , deshalb ist es wichtig, daß möglichst viele Leute auch andere Wege zum Klo gehen.
Übertragung: das Lebewesen muß viele mögliche Lösungsmöglichkeiten / Reaktionsmöglichkeiten in unterschiedlichsten Situationen gezeigt bekommen, denn je mehr Synapsen vorhanden, desto größer das Verhaltensrepertoire, auf das es zurückgreifen kann.

Und so stelle ich mir auch Prägung vor: je mehr Möglichkeiten in sensiblen Phasen dem Lebewesen zur Verfügung gestellt werden, auf umso mehr kann es später zurückgreifen. Und je mehr Kontrolle ein Lebewesen über neue Situationen hat, desto weniger Angst zeigt sich.

Oder werfe ich da jetzt was durcheinander?


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RE: Es gibt keine Prägung?

#5 von Uli66 ( gelöscht ) , 29.06.2013 10:49

Ist zwar schon etwas her, aber das Thema ist sehr interessant. Ist es nicht so, dass das zwei verschiedene Paar Schuhe sind?

Wie schon Firle geschrieben hat finde ich auch, dass Prägung das Kennenlernen von Umweltreizen ist. Und die kann meiner Meinung nach, nicht führ genug einsetzten. Ich habe meinen Welpen bevor ich sie abgegeben habe immer alles gezeigt was nur möglich war - neben den normalen Haushalts- und Gartengeräuschen auch "die große Welt da draussen". Ich bin mit jedem einzeln Auto gefahren, an der Leine gegangen ich habe ihnen verschiedene Böden (Gitter, Brücken, Schotter......) gezeigt usw. damit sie dann beim neuen Besitzer nicht Angst vor irgendwas haben müssen.

Das andere ist meiner Meinung nach "Bindung" an einen Menschen. Auch wenn der Hund mehreren Menschen gehorcht, so hat er doch an einen Menschen eine besondere Bindung. Und die kann man nur erreichen wenn man mit seinem Hund so viel wie möglich im Team unternimmt.

Oder liege ich da falsch?

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